Die Politik von Heute
Sicherlich ist das nur ein böses Gerücht, was das profil da in seiner aktuellen Ausgabe berichtet: Wolfgang Jansky, Geschäftsführer der Gratiszeitung Heute, soll als Teil einer neuen ORF-Doppelspitze auf den Küniglberg wechseln. Sprich: Jansky soll einer von zwei gleichberechtigten Chefs werden, die SPÖ und ÖVP in schlechter alter Proporzmanier ins Auge gefasst haben. Aussagen des damaligen ÖVP-Klubobmanns Karlheinz Kopf gingen schon vor der Wahl in diese Richtung. Hoffentlich doch nur ein Gerücht – so wie der Wechsel Janskys in den ORF. Denn sie haben uns neuen Stil versprochen, nicht Uralt-Brachialmethoden.
Was wäre so falsch, wenn der Heute-Geschäftsführer in die ORF-Chefetage einzöge? Der Mann hat schließlich bei der Gratiszeitung bewiesen, dass er das Mediengeschäft beherrscht: Heute ist immerhin hinter der Kronenzeitung die Nummer zwei bei den Leserzahlen bundesweit, in der Bundeshauptstadt ist das Gratisblatt sogar die Nummer eins. Das allerdings mit tatkräftiger Hilfe der Rathaus-SPÖ, die Jansky und seiner Chefin Eva Dichand – Ehefrau von Krone-Herausgeber Christoph Dichand – den exklusiven Zugang zu den Wiener U-Bahnstationen verschafft hat. Ein enormer Wettbewerbsvorteil.
Nicht zu vergessen die Inserate aus dem Einflussbereich der Gemeinde Wien – die nicht erst mit der großen Reichweite, sondern auch schon vorher geschaltet wurden – und nicht zu vergessen auch die Regierungsinserate, ganz vorne dabei das Bundeskanzleramt.
ORF wird Familienangelegenheit
Jansky kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Er war langjähriger Pressesprecher von Bundeskanzler Werner Faymann, als der noch Wohnbaustadtrat in Wien war. Daher der gute Draht ins Rathaus und ins Bundeskanzleramt. Und Jansky ist auch privat bestens mit Faymanns Umgebung vernetzt: Mit Infrastrukturministerin Doris Bures, eine enge Vertraute des Kanzlers, hat Jansky eine gemeinsame Tochter. Verheiratet ist er mit Elvira Franta, früher Pressesprecherin von Staatssekretär Josef Ostermayer, dem Alter Ego des Bundeskanzlers. Mit Janskys Wechsel an die ORF-Spitze würde der öffentlich-rechtliche Rundfunk quasi eine Familienangelegenheit.
Schräges Personalpaket
Die ÖVP müsste dabei natürlich mitspielen, sprich: auch etwas bekommen. Innerhalb und/oder außerhalb des ORF. Verhandlungsmasse gibt es ja genug, nicht nur bei der Ressortverteilung in der Bundesregierung – nach der Europawahl im Mai 2014 ist auch der Posten des EU-Kommissars neu zu besetzen, den seit dem Beitritt immer die ÖVP gestellt hat. Aus der SPÖ sind schon Begehrlichkeiten laut geworden. Und über ein Junktim zwischen ORF und EU-Kommissar hat man auch schon lesen können. Neuer Stil wäre das nicht. Doch den haben sie uns versprochen.
Allianz mit Gratis-Boulevard
Abgesehen von der Stilfrage: Wir wollen nicht glauben, dass eine über das Heute hinausschauende Politik wirklich Entscheidungen vermanschen will, die rein gar nichts miteinander zu tun haben. Dass Medienpolitik in dem Land weiterhin ausschließlich Machtpolitik sein soll, besonders wenn es um den ORF geht. Und wir wollen auch nicht glauben, dass über Personalentscheidungen unheilige Allianzen des öffentlich-rechtlichen Auftrags mit dem Gratis-Boulevard geschmiedet werden sollen.
Der ORF muss ein demokratiepolitisches Bollwerk gegen den Boulevard sein. Wer das untergräbt, gefährdet die öffentlich-rechtliche Glaubwürdigkeit.