Gegen die Wand
Erwin Pröll. Ungehalten wie immer, wenn er sich mit nervigen Fragen von Hauptstadt-Journalisten herumschlagen muss. Direkt neben ihm Johanna Mikl-Leitner, seine Kronprinzessin. Und in einer Armlänge Abstand Wolfgang Sobotka, der für entgangene höhere Weihen in Niederösterreich mit dem Amt des Innenministers entschädigt wird. Den Puffer zwischen den Widersachern Pröll und Sobotka macht ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner, der die blau-gelben Geschichten tapfer erträgt, die in dieser halben Stunde erzählt werden. Geschichten vom Ende einer Republik, wie wir sie gekannt haben.
Es ist nicht diese Vorherrschaft eines ÖVP-Landeschefs, der von staatspolitischen Entscheidungen spricht und die Regelung seiner Hofübergabe damit meint. Dass Erwin Pröll den Fürsten spielt und nicht nur daheim in Niederösterreich entsprechend agiert, daran hat man sich schon gewöhnt. Das schließt auch ein, dass – first things first – nicht auf einen laufenden Präsidentschaftswahlkampf Rücksicht genommen wird. Der wird nämlich mit dem Mikl-Leitner-Sobotka-Coup in beispielloser Weise gestört. Für den ÖVP-Kandidaten Andreas Khol wird er möglicherweise sogar zerstört. Zwei Wochen vor dem Wahltag bietet die Partei jetzt weitaus Interessanteres als einen Bewerber, der es so schon schwer gehabt hätte, in die Stichwahl zu kommen.
Gib der Glaubwürdigkeit den Rest
Das Schlimme daran ist, dass Pröll mit diesem Hineinregieren in die Bundespolitik der dort nur noch spärlich vorhandenen Glaubwürdigkeit – siehe die Umfrage-Ergebnisse für Regierungsparteien und Präsidentschaftskandidaten von Rot und Schwarz – den Rest gibt. Dazu gehört nicht nur ein Pröll, der hineinregiert, dazu gehören auch ein Mitterlehner und andere Mitglieder des Parteivorstands, die sich das gefallen lassen. Hier wird eines der wichigsten Ministerämter nach Feudalherren-Art vergeben, hier wird ein Präsidentschafts-Kandidat de facto abgeschrieben, weil es einem bald 70-Jährigen, der offenbar ans Aufhören denkt, ins Konzept passt.
Kein Pardon mehr, von niemandem
Den Landesfürsten war das Hemd immer schon näher als der Rock, und das hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die ehemaligen Großparteien heute um die 20 Prozent grundeln. Koalitionsspekulationen drehen sich neuerdings primär um die Frage, wer wohl unter Heinz-Christian Strache den Vizekanzler machen würde. Es gibt keinen Pardon mehr für die Regierenden, die Dämme scheinen gebrochen zu sein. Der Coup des Niederösterreichers trägt dazu seinen Teil bei. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass sein ungleicher Wiener Zwilling Michael Häupl, den mit Pröll vor allem der Machtinstinkt verbindet, unfreiwillig auch am Dammbruch mitarbeitet.
Häupl baut unfreiwillig einen Pröll
Häupl in seiner rot-grünen Koalition versucht, in der Wiener SPÖ den Spagat zwischen dem sogenannten linken Flügel und jenen zu schaffen, die ihre Felle schon länger in Richtung FPÖ davonschwimmen sehen. Als Landeshauptmann war er bei allen wesentlichen Entscheidungen über die Verschärfung der Asylpolitik dabei, in Wien wird weiterhin gegen Obergrenzen, Asyl auf Zeit und Schnellverfahren an der Grenze polemisiert – wie sie im Entwurf des Innenministeriums vorgesehen sind. Johanna Mikl-Leitner hat übrigens bei der Bekanntgabe ihres Abschieds aus diesem Amt als ihr Hauptverdienst angegeben, die SPÖ auf Linie gebracht zu haben. Deren stärkste Landesorganisation wird beim bevorstehenden Parteitag jetzt einen Leitantrag beschließen, der Kernelemente dieser Politik in Frage stellt.
Dementis, die besser unterblieben wären
Nationalratspräsidentin Doris Bures hat Berichte in Medien und Netz über eine Spezialmission als SPÖ-Bezirkschefin von Liesing und Vertraute des SPÖ-Vorsitzenden Kanzler Werner Faymann strikt zurückgewiesen. Bures soll versucht haben, diesen Leitantrag zu verhindern – die Wiener SPÖ also auf Faymann- und ÖVP-Linie zu bringen. In einer bemerkenswerten Aussendung spricht Bures von Gräben in der SPÖ, die nicht vorhanden seien. Mit solchen Dementis tut man sich nichts Gutes, weil sie das Dementierte eher bestätigen denn wegwischen. (Das müsste Bures nach dem Kann-Kern-Kanzler-Fauxpas eigentlich wissen.) Um Häupl tobt offensichtlich ein Machtkampf, der auch die Bundespartei beschädigt.
Wenn die Partei-Maschinerien stottern
Was der eine Landesfürst durch beinhartes Durchsetzen von Interessen anrichtet, provoziert der andere durch Unterlassung – Häupl ist es nicht gelungen, rechtzeitig die Weichen für seine Nachfolge zu stellen. Jetzt driftet ihm die Partei auseinander, und es wird immer schwieriger. Vor diesem Hintergrund wartet alles gespannt auf den Ausgang der Bundespräsidenten-Wahl, bei der SPÖ und ÖVP trotz ihrer Partei-Maschinerien krachend gegen die Wand fahren könnten. Reinhold Mitterlehner hat für den Fall in der Tiroler Tageszeitung schon einmal deponiert, dass er nicht die Nerven verlieren werde. Eines sei aber klar: Wenn wir nicht eine Veränderung der Regierungsperformance schaffen, dann ist uns mit Blick auf die Nationalratswahlen nicht zu helfen.
Das ist sehr offen, aber auch sehr nichtssagend. Hier stehen wir und können nicht anders. Eine Armlänge vor dem Abgrund, an den sich die allerbesten Feinde jahrzehntelang herangearbeitet haben.
Ein Gedanke zu „Gegen die Wand“
Wird Sobotka der neue Strasser? Der wurde ja auch von Prölls Gnaden zum Innenminister. Die Anlagen hat ja Sobotka, als ausgewiesener Spekulant.