Die Schall-Maurer
Der Innenminister ist mit exklusiven Charterflugzeugen unter anderem nach Budapest geflogen. Gleichzeitig wird bekannt, dass auch der Bundeskanzler immer wieder Jets anmieten lässt, um Geschäfte durchaus auch einmal im nahen Ausland zu erledigen. Doch Christian Kern postet auf Facebook schnell ein Foto aus dem cityjet von Graz nach Leibnitz, was die schlechte Nachrede für den Kollegen Sobotka noch mehr verschlechtert. Dann folgt der Überschall-Knall im koalitionären Luftkrampf: Die Republik bringt Strafanzeige gegen Airbus ein, weil die uns die Eurofighter schwer überteuert untergejubelt haben. Mögen andere eine Wall sonstwohin bauen, wir reißen jetzt die Schallmauer nieder.
Eineinhalb Jahrzehnte, einen Eurofighter-Untersuchungsauschuss und fünf Verteidigungsminister lang hat die Mauer gehalten. Obwohl die Ungereimtheiten greifbar waren, seit der blau-orange Verteidigungsminister Herbert Scheibner mit der Saab-Gripen-Entscheidung in den Ministerrat hineingegangen ist und Wolfgang Schüssel & sein Schützling Karlheinz Grasser mit der Eurofighter-Entscheidung herausgekommen sind. Unfassbare Dinge, die in dem Bericht der Task Force von Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil zum Beispiel über Waffenlobbyisten und Verhaberungen von Entscheidungsträgern mit diesen geschrieben stehen. Fragen über Fragen, die hier und hier und hier sehr umfassend angesprochen werden.
Unfassbare Dinge im Eurofighter-Bericht
Die Grünen und die Freiheitlichen werden Anfang März den Antrag auf einen neuerlichen Untersuchungsausschuss zur Causa Eurofighter einbringen. Da dies seit 2015 ein Minderheitsrecht ist, genügen für die Einsetzung die Stimmen dieser beider Parteien. Treibende Kraft ist der Grüne Peter Pilz, der als Eurofighter-Aufdecker und Kritiker der ersten Stunde immer wieder von Regierungsseite angefeindet wurde. Pilz war schon Vorsitzender des ersten Untersuchungsausschusses. Jetzt hat ihm der Verteidigungsminister höchstpersönlich die Bühne bereitet: Doskozil hat zugesagt, dass die fünf Terabyte Material der Task Force ungeschwärzt ans Parlament gehen werden, sollte es zu einer Untersuchung der politischen Verantwortung kommen.
Coup von Doskozil bereitet Pilz die Bühne
Ein Hochamt also für den in die Jahre gekommenen und in seiner Partei nicht mehr gar so wohlgelittenen Peter Pilz. Ein Coup natürlich von Doskozil, der mit der Strafanzeige eine gerichtliche Verjährung der Betrugs- und Schmiergeldvorwürfe verhindern will. Der mit dem verstorbenen Enthüllungsjournalisten Kurt Kuch eng befreundete SPÖ-Minister und Ex-Polizist hat damit seine Glaubwürdigkeit ganz schön gefestigt, auf die Gefahr hin, dass er seinem burgenländischen Landsmann Nobert Darabos Ungemach bereitet. Der hat als Verteidigungsminister zwar 2012 die Task Force Eurofighter eingesetzt, aber bei den Verhandlungen über das Downgrading 2007 möglicherweise keine so gute Figur gemacht und Airbus vielleicht sogar einen Gefallen getan.
Wann geht der ÖVP die Gelassenheit aus?
Die ÖVP macht jetzt einmal gute Miene zum Untersuchungsausschuss II. Wie lange sie das durchhalten wird, ist auch eine spannende Frage. Denn die Strache-FPÖ will ja mit der FPÖ unter Haider & dessen Statthaltern und mit all dem, was vor 2005 passiert ist, nichts zu tun haben. Deshalb auch das freudige Ja zum Untersuchungsausschuss. Wem das Erbe der Ära Schüssel & Grasser auf den Kopf fallen wird, das ist einzig und allein: die Volkspartei. Und die hat das in ihrer Zerrissenheit in der Koalition reloaded mit der Kern-SPÖ und angesichts ihrer ungelösten Führungsfrage mit Blick auf die nächste Nationalratswahl gerade noch gebraucht. Es ist wahrscheinlich, dass die Eurofighter noch mehr Sand ins rot-schwarze Getriebe wirbeln.
Rakete Kurz nahe an Schallgeschwindigkeit
Was die offene Führungsfrage in der ÖVP betrifft, da hat das Trumpf-Ass Sebastian Kurz jetzt seinerseits die Schallmauer erreicht. In einer Umfrage für das Fellner-Blatt Österreich kommt die ÖVP unter Kurz auf 35 Prozent und lässt die Strache-FPÖ mit 26 Prozent ebenso weit zurück wie die Kern-SPÖ mit nur 23 Prozent. Ohne Kurz wäre die ÖVP unter 20 Prozent und die FPÖ auf Platz eins. Unter den Partnern von research affairs, das die Umfrage gemacht hat, scheint der Name Karmasin (die Mutter) auf. Da kann sich jeder seinen Teil denken, aber in der Demoskopie hat der Name einen guten Klang. Das Umfrageergebnis ist die Horrorvision der SPÖ-Zentrale.
Und dann bricht schnell einmal Panik aus
Die SPÖ setzt zwar auf Kurz als Strache-Töter, sieht aber lieber solche Umfragen, wie sie UNIQUE research für das Nachrichtenmagazin profil gemacht hat: Christian Kern in der Kanzlerfrage und die SPÖ bei der Sonntagsfrage im Aufwind, der FPÖ auf den Fersen. Die ÖVP (ohne Kurz) grundelt bei 20 Prozent. Mit Kurz, so die Überlegung der Löwelstraße, legt die ÖVP ein paar Punkte zu und die FPÖ gibt ein paar ab. Fertig ist der rote Wahlsieg. Sebastian Kurz selber tut weiter so, als lese er keine Zeitungen, als gehe ihn das Schicksal der Volkspartei trotz der geradezu sensationellen persönlichen Werte nichts an. Dabei werden Umfragen wie jene mit und ohne Kurz jetzt immer öfter kommen. Und dann bricht schnell einmal Panik aus.
Überschall-Knall auch bei der Medienförderung
Da helfen auch freundliche Töne von SPÖ-Regierungskoordinator Thomas Drozda nichts, der der ÖVP im Presse-Interview ausrichtet, dass sie natürlich auch nach der nächsten Wahl ein möglicher Partner für die SPÖ sei. In diesem Interview regt der Kanzleramtsminister auch eine Diskussion darüber an, den Heldenplatz in Platz der Republik oder Platz der Demokratie umzubenennen. Mehr hat Drozda nicht gebraucht. Der Medienminister, der mit seinem Vorschlag, auch Gratiszeitungen und Propaganda-Plattformen mit der neuen Medienförderung zu bedenken, auch eine Schallmauer zu durchbrechen droht. Der sieht sich jetzt mit einem Shitstorm sondergleichen auf dem Boulevard konfrontiert, weil er einen Vorschlag zur Veränderung gemacht hat.
Zum Dank ein Shitstorm auf dem Boulevard
Die Krone-Masterminds Claus Pandi und Richard Schmitt machen sich lustig, auf krone.at gibt es ein Voting mit 96 Prozent Nein zur Umbenennung des Platzes, das Fellner-Portal oe24.at lässt Strache und Gudenus gegen die Umbenennung wüten, indem deren Facebook-Postings weiterverbreitet werden. Und das nach Drozdas Plänen ebenfalls förderungswürdige unzensuriert.at polemisiert frisch drauflos. Ein Anschauungsbeispiel, wie reflexartig der Boulevard im Verein mit den Freiheitlichen agiert. Da geht es um Klicks, nicht um Qualität. Und auf der anderen Seite um einen medienpolitischen Überschall-Knall, den man sich sparen könnte.
3 Gedanken zu „Die Schall-Maurer“
gut geschrieben, danke!
Ungemach gibt es eher für eine Justiz, die (bis über die Ohren korrupt?) Anzeigen wegen der Zustände im BMLVS ignoriert hat, als Darabos und Klug Minister waren. Dass Darabos abgeschottet wurde, was Überwachung und Druck einschliesst, weiss man ja auch in den Redaktionen, schliesslich hatte nicht mal der Generalstabschef direkten Zugang zum Minister, dem Befehlshaber des Heeres laut Verfassung. Und die Liste derer, die das ebenfalls nicht hatten, ist lange; auch aus Botschaften hörte ich Klagen, weil ich dem auf den Grund gegangen bin. Ich wurde dafür via Kammerhofer, den ÖBB-Leiharbeiter und Kabinettschef, bedroht, verleumdet, fertiggemacht – es ist eine ungeheure Farce, wenn jetzt der Leiter der Strafrechtssektion im BMJ Pilnaceck bei Im Zentrum auftritt, denn das Ministeroium hat alle Anzeigen niedergeschlagen. Da ging es immerhin darum, dass ein Minister an der Amtsführung gehindert wurde und der Nachfolger das Amt ebenfalls nicht ausüben konnte (wie klug Klug ist, wissen wir alle). Dadurch ist massiver Schaden für die Republik entstanden und natürlich für alle, die von diesen Zuständen persönlich betroffen sind. Doskozil profitiert davon und ist zu feige, sich Altlasten zu stellen: https://alexandrabader.wordpress.com/2016/12/10/offener-brief-an-verteidigungsminister-doskozil/