Ach Anstalt
Am Dienstag bestellt der ORF-Stiftungsrat einen neuen Generaldirektor. Es tritt zwar auch der amtierende ORF-Chef zum vierten Mal an, aber wenn man den Einschätzungen von Stiftungsräten und der parteipolitischen Logik folgt, wird sich das für Alexander Wrabetz nicht mehr ausgehen. Der Favorit der ÖVP heißt Roland Weißmann, und man wundert sich zwar in einem fort, was alles geht in diesem Land. Doch das Wunder von 2016, als der schwarze Freundeskreis-Leiter Thomas Zach den ÖVP-Mann Richard Grasl nicht durchgebracht hatte, wird sich nicht wiederholen. Zach hat eine bequeme Mehrheit – und eine Schmach zu tilgen.
Allein dass man so einen Punkt beim Bestell-Procedere für den Chefposten des größten und wichtigsten Medienunternehmens des Landes einpreisen kann, sagt alles über die Rahmenbedingungen der Bestellung aus. Wrabetz hat sie in einem letzten Aufbäumen in einem Interview im Fellner-Fernsehen thematisiert: Weißmann sei der Kandidat von Fleischmann, dem Medienbeauftragten von Bundeskanzler Sebastian Kurz. Und bei einer sogenannten Elefantenrunde der ORF-KandidatInnen auf Puls24 ist Wrabetz dann auch in Richtung der ÖVP-Stiftungsräte deutlich geworden: Das Besondere ist, dass erstmals aufgrund bestimmter Arithmetik eine Gruppe alleine bestellen kann und nicht einmal diese Gruppe – was man so hört – das demokratisch unter sich ausgemacht hat, sondern dass dort ein Externer gesagt hat: Das ist der Kandidat und dieser ist zu bestellen.
Wrabetz wandelt auf heiklem politischen Terrain
Wrabetz hat mit dem Externen, also außerhalb des Stiftungsrates Stehenden, explizit Gerald Fleischmann gemeint. Und er wandelt damit auf politisch heiklem Terrain, weil er den wie Aufsichtsräte veranwortlichen und haftbaren Stiftungsräten Beeinflussbarkeit vorwirft, ohne dass irgendwo Chats dazu aufgetaucht wären. Wrabetz wird seine Erfahrungen aus den drei Amtszeiten als Generaldirektor haben, wenn er das so offen in den Raum stellt. Nebenbei ist der ORF-Chef selbst nicht ungeübt im parteipolitischen Taktieren: So hat er in dem erwähnten oe24-Interview, nach Fehlern gefragt, das gesagt: Er habe den mit der ÖVP gut vernetzten Roland Weißmann zum Projektmanager für den ORF-Player gemacht in der Hoffnung, dann kriegen wir das Gesetz, das wir brauchen, und es geht etwas weiter. Diese Rechnung sei aber nicht aufgegangen. Das was ich mir versprochen habe, ist nicht eingetreten, so Wrabetz wörtlich.
Weißmann hört nichts aus den Hinterzimmern
Roland Weißmann spielt das Spiel auf seine Weise mit. Ich habe natürlich nicht davon gehört, war seine Reaktion auf das von Wrabetz in den Raum gestellte Hinterzimmer-Szenario. Was sollte er auch sonst sagen. Das hat Tradition: Der frühere Stiftungsratsvorsitzende Dietmar Hoscher von der SPÖ hat nach der dritten Wahl von Wrabetz 2016 auf die Frage, wie sich denn das geschlossene Abstimmungsverhalten von SPÖ – für Wrabetz – und ÖVP – für Grasl – mit einer Politikferne des Stiftungsrats in Einklang bringen lasse, nach einigen Sekunden betretenen Schweigens gesagt: Kein Kommentar. Und der neben Hoscher sitzende Alexander Wrabetz erklärte in seiner Not, dass es in seiner Zeit als Generaldirektor alle Arten von Mehrheiten schon gegeben habe. Entlarvende Reaktionen auf eine wichtige Frage von Philipp Wilhelmer vom Kurier.
Politiknähe also known as Orbánisierung
Mittlerweile ist die nicht vorhandene Politikferne längst in eine Politiknähe umgeschlagen. 16 von 35 Stiftungsräten sitzen auf einem ÖVP-Ticket, dazu kommen zwei ÖVP-nahe Unabhängige plus allenfalls auch Betriebsrätinnen. Die Mehrheit liegt bei 18 Stimmen, und die scheinen organisiert zu sein, wie es so schön heißt. Man träumt bereits von der Bestellung Roland Weißmanns gleich im ersten Wahlgang. Würde der ÖVP-Favorit allein mit dieser Mehrheit gewählt werden, dann könnte freilich niemand mehr die Wilhelmer-Frage mit einem feigen Kein Kommentar abtun. Dann wäre mit Orbánisierung schnell ein Fachausdruck dafür zur Hand. Und das weiß niemand besser als Weißmann, der das als frischgebackener ORF-Chef dann auszubaden hätte. Deshalb hat er natürlich das größte Interesse, dass in der offenen Abstimmung – eine absurde politiknahe Konstruktion auch das – die drei von den Grünen nominierten Stiftungsräte für ihn votieren.
Die Grünen sollen die Räuberleiter machen
Sprich: die Grünen sollen der ÖVP wieder einmal die Räuberleiter machen, und sie können dabei eigentlich nur verlieren. Denn da geht es wieder einmal um einen ihrer Grundwerte, aber das wissen sie selbst. Klar dürfen die Grünen im Gegenzug für ihr Entgegenkommen dann Personalvorschläge machen, zwei Direktorenposten sollen es sein, und man kann das ja positiv sehen. Für die Finanzen und das Programm zuständig sein, das ist schon was. Doch der Generaldirektor ist Alleingeschäftsführer, er hat im Zweifelsfall immer das Sagen, da kann ein Roland Weißmann jetzt noch so oft seinen Willen zur Teamarbeit betonen. Das kann man ihm glauben, man kann aber auch ins Treffen führen, dass ein ORF-Chef – siehe Wrabetz – nie im luftleeren Raum agiert. Und schon gar nicht er, als von langer Zach-Hand in Stellung gebrachter ÖVP-Kandidat angesichts der erdrückenden Dominanz der Kanzlerpartei.
Der Einflüsterer vom Privat-TV spielt mit
Stichwort Dominanz: ein fester Vorsatz der ÖVP schon in der Koalition mit der Strache-FPÖ war immer, die Privaten gegenüber dem ORF zu stärken. Wichtiger Einflüsterer der ÖVP war stets Markus Breitenecker, eine zentrale Figur im Privatfernsehen Österreichs und Chef von Puls und ATV sowie der Werbefenster der deutschen Kanäle ProSieben und Sat.1. Die Werbeumsätze der Gruppe sind doppelt so hoch wie jene des ORF. Und dieser Privat-TV-Zampano hat eine ORF-Diskussion im Hauptabend auf Puls24 angesetzt – Alexander Wrabetz, Roland Weißmann, Lisa Totzauer und Thomas Prantner sowie der externe Kandidat Harald Thoma sind gekommen. Markus Breitenecker hat den objektiven Moderator gegeben, in Wahrheit hat der selbsternannte Gamechanger – längst auch ein Lieblingswort von Sebastian Kurz – die geschlossen versammelte Anstalt vorgeführt. Nur Lisa Totzauer muckte einmal kurz auf, war dann aber doch nicht Spaßverderberin.
Und der Kanzler verschleiert seine Prioritäten
In einer Analyse-Runde zur Veranstaltung mit der Anstalt hatte Breitenecker dann Lob für – erraten – Roland Weißmann übrig, der bekennt sich in seinem Bewerbungskonzept mit dem Titel Lust auf Zukunft nämlich ganz entschieden zur Kooperation mit den Privaten, etwa beim gemeinsamen Lizenz-Erwerb und nationalen Content-Kooperationen. Das gefällt dem Puls4-Manager, der wird übrigens – von wegen Content – den Kanzlermacher Philipp Maderthaner (er hat genau genommen die erfolgreichen Wahlkampagnen für Sebastian Kurz gemacht) ab September in der beliebten Puls4-Start-up-Show 2 Minuten, 2 Millionen aufbieten. Und der gemachte Kanzler? Der hat sich zuletzt von Eva Schütz interviewen lassen, der Ehefrau des ÖVP-Großspenders Alexander Schütz, die jetzt ein Online-Medium mit unübersehbarem Hang zur ÖVP finanziert und betreibt. Das sind Kurzens kleine Prioritäten. Und so wird die große Priorität – siehe oben – verschleiert.
Ein Gedanke zu „Ach Anstalt“
Lieber Herr Kappacher, herzlichen Dank für Ihre unermüdliche Analysearbeit. Der Inhalt baut nicht auf, wohl aber die Tatsache, dass es ihn gibt. Mit besten Grüßen Werner Schneider