Die Codes der Populisten
Von allen möglichen Leuten, die ein Buch über die Gefahren für liberale Demokratie und Rechtsstaat schreiben könnten, hat Gerald Fleischmann ein solches geschrieben. Der Kommunikationschef der ÖVP, die gerade mit der Kickl-FPÖ eine Koalition verhandelt, der schon in der Regierung der Kurz-ÖVP mit der Strache-FPÖ eine Schlüsselrolle gespielt hat. Die Message Control hat Fleischmann erfunden, Viktor Orbán ist für ihn Vorbild, nicht Abschreckung. Jetzt schreibt er ein Buch über Die Codes der Extremisten und nimmt im Vorwort gleich einmal die Extremisten auf der Bühne aus. Ein Lehrbeispiel dafür, wie weit die Grenzen des Sagbaren schon längst verschoben sind.
Die Medien leisten wie immer ihren Beitrag, viele haben das Fleischmann-Buch rauf und runter rezensiert. Man fragt sich warum. Gleich am Anfang wird im Buch klargestellt, es soll keine Bezüge zum aktuellen Geschehen auf den politischen Bühnen in Österreich, Deutschland und den USA geben. Es gehe nicht um im Parlament vertretene Parteien. Weil sie die demokratische Teilhabe wahrnehmen und damit die Regeln der liberalen Demokratie respektieren. Es geht also nicht um rechtspopulistische Parteien. (…) Das gilt auch für die aktuelle Führung unter US-Präsident Donald Trump, einschließlich seiner Berater wie den exzentrischen Milliardär Elon Musk. Trump ist demokratisch legitimiert. Zudem kann man nicht behaupten, dass er und seine Berater besonders verdeckt agieren.
Verdeckte Agenda von Musk & Co.
Sie agieren natürlich offen, Trump nennt sich in aller Öffentlichkeit scherzhaft Diktator für einen Tag und unterschreibt zum Teil himmelschreiende Executive Orders, Musk bekommt vor den Augen der Nation und der Welt Zugang zum US-Zahlungssystem mit sensibelsten Daten – und alle schauen zu. Der Punkt ist: Sie haben eine verdeckte gefährliche Agenda.
Es fängt schon damit an, dass sie als Rechtspopulisten bezeichnet werden, weil sich die Wenigsten über den Rechtsextremismus-Begriff drübertrauen. Die Schweizer Soziologin Franziska Schutzbach dekonstruiert in ihrem Buch Die Rhetorik der Rechten die These, dass als extremistisch nur Kräfte einzustufen seien, die offen systemfeindlich agieren und sich gegen die Verfassung stellen: Diese Theorien beinhalten die Vorstellung, dass, wer sich an Recht, Gesetz und formaldemokratische Abläufe hält, keine extremen Positionen vertreten kann, noch nicht einmal Positionen mit extremen Elementen. Ferner wird daraus abgeleitet, dass die scheinbar nicht extremen Weltanschauungen rechtspopulistischer AkteurInnen automatisch demokratisch legitim sind. Das sei eben genau nicht der Fall.
Demokratie mit doppeltem Boden
Und das gilt für Trump und Musk genauso wie für Alice Weidel oder Herbert Kickl. Zitat aus dem Buch von Schutzbach: Man gibt vor, die wahre Demokratie zu verteidigen, gleichzeitig wird ebendiese liberale Demokratie attackiert, indem man sich gegen Pluralismus, Menschenrechte, Minderheitenschutz oder Verfassungsaufträge wendet. Kurzum: Das dauernde Reklamieren von Demokratie und Meinungsfreiheit macht es durch die Hintertür möglich, auch innerhalb formaldemokratischer Regeln relativ extreme Positionen zu vertreten und letztlich Demokratie zu unterminieren. Und sie arbeiten dabei eng zusammen. Beim Wahlkampfauftakt der AfD in Halle an der Saale wurden Videobotschaften von Musk und Kickl eingespielt, die mit viel Applaus und Jubel bedacht wurden.

Tarnen, Framen, Diskurs zerstören
Elon Musk war sogar live, er lieferte ein Musterbeispiel für eine verdeckte Agenda. Der Tech-Milliardär und Trump-Flüsterer, der bei der Angelobung des US-Präsidenten den Hitlergruß gezeigt hat, empfahl den Deutschen, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Das Land habe zu viel Fokus auf vergangener Schuld, sagte Musk am Vorabend des Gedenkens an die Befreiung von Auschwitz vor 80 Jahren. In rechtsextremen Kreisen gibt es für das, was Musk damit angesprochen hat, einen unzweideutigen Code und der heißt Schuldkult. Als AfD-Chefin Alice Weidel, die den Kontakt zu Musk geknüpft hat, am Sonntag Abend bei Caren Miosga von der Moderatorin darauf angesprochen wurde, dass sie diesen Begriff auch schon verwendet habe, stellte Weidel das in Zweifel. Tarnen, Täuschen, Framen. Und möglichst den Diskurs zerstören. Das ist die extreme Rhetorik.
Rechtsextreme Codes und Hitlergruß
Dass Polens Premier Donald Tusk die Botschaft Musks als irritierend bezeichnet hat, tat Weidel mit der Bemerkung ab, Tusk sei eben links. Und der Holocaust, der werde als politisches Instrumentarium benutzt. Auf den Einwurf von Miosga, die Jugend wisse laut Umfragen viel zu wenig über dieses dunkle Kapitel, sagte Weidel trocken: Welche Jugend, da gibt es ja einen hohen Migranten-Anteil. Es müsse einmal Schluss sein mit dem Erinnern an die Nazi-Gräuel, das hat übrigens auch die FPÖ-Altpolitikerin Ursula Stenzel auf Puls24 von sich gegeben. Im FPÖ-nahen rechtsextremen Propagandakanal AUF1 sind sie noch deutlicher: Durch die Aufforderung von Musk sei der lang antrainierte Schuldkult der Deutschen ins Wanken geraten, jubelt Senderchef Stefan Magnet gemeinsam mit der Galionsfigur der deutschen Rechtsextremen, Götz Kubitschek.
Propaganda statt Journalismus
Wenn es nach der FPÖ geht, wird dieser Kanal bald staatliche Medienförderung bekommen, die Grenzen zwischen Journalismus und Propaganda sollen verschwimmen. Auch das ist eine verdeckte Agenda, die an den Grundfesten der Demokratie rüttelt. Rechtspopulisten und Rechtsextreme wollen verführen, sie wollen sich nicht kontrollieren lassen. Das gelingt mit eigenen Medien und mit Propagandakanälen, die man ideell, finanziell durch Inserate und – wer weiß – bald direkt aus der Staatskasse unterstützt. Journalistische Medien versuchen immer wieder, Rechtspopulisten und Rechtsextreme einzubinden, wie es zuletzt Caren Miosga mit Alice Weidel versucht hat. In diesem Top-Format am Sonntag Abend, das hat schon im Vorfeld für viel Kritik gesorgt. Miosga versteht ihr Geschäft, aber Weidel auch: Nachdem sie die Fragen zum Schuldkult hat abtropfen lassen, wurde über das Wirtschaftsprogramm der AfD diskutiert. Provokation geglückt, wieder ein bisschen stärker im Mainstream.
Wenn Kritiker zu Feinden werden
Noch ein Zitat aus dem Buch von Franziska Schutzbach: Ist Rechtspopulismus erst einmal Teil des medialen Mainstreams, können Kritik, Zurückweisung, Boykotte, Ausladungen und so weiter umso selbstbewusster und erfolgreicher als Meinungsverbot inszeniert werden. Jene, die rechtspopulistische Inhalte und Vorgehensweisen ablehnen, gelten nun als Feinde der Meinungsvielfalt. Herbert Kickl hat – als er die Initiative von Altpolitikern verhöhnte, die ihn als Kanzler verhindern wollen – so auf diesem Klavier gespielt: Nur der nächste Anlauf mit dem Totschlagsargument des Rechtsextremismus. Wieder dient das Ganze in Wahrheit nur dazu, den Wählerwillen zu ignorieren. Und wieder spalten genau diese „Aktionisten“ damit unsere Gesellschaft bis an den Rand des Zusammenbruches. Mehr Verachtung für die demokratischen Grundwerte kann man eigentlich kaum zeigen.
Die Anrede in dem Posting: Liebe Freunde! Nicht zu vergessen natürlich auch: liebe Feinde! Und ein Zwinker-Smiley als Code für: Wundert euch nur, was alles möglich ist.
Ein Gedanke zu „Die Codes der Populisten“
Rechtsextrem, -radikal ist ok. Der richtige Begriff ist “Gewalt-rechts”. Trump … sind _nicht_ demokratisch legitimiert.