Hintertür der Macht
Wieder etwas, das man nicht erfinden kann. Am Sonntag hat Österreich seinen Bundespräsidenten wiedergewählt, mit letztlich doch ansehnlichen knapp 57 Prozent. Gleichzeitig hat die Riege der rechten bis obskuren Kandidaten – Armin Thurnher hat sie in seiner täglichen Kolumne scharfzüngig Kandidaten der Finsternis genannt – zusammen 35 Prozent eingefahren. Diese Leute haben Positionen vertreten, die ein gewisser Sebastian Kurz erst salonfähig gemacht hat – indem er die FPÖ in die Regierung geholt und selbst Demokratiebeschädigung betrieben hat. Jetzt, in der Woche nach der Wahl, bringt Kurz mit viel Promotion ein Ich-Buch auf den Markt, als wäre nichts gewesen.
Geschrieben hat das Buch – Titel: Reden wir über Politik – die Kronenzeitungs-Journalistin Conny Bischofberger, und man fühlt sich unweigerlich an Krone-Gründer Hans Dichand erinnert, der auf die Frage nach seiner Macht immer damit kokettiert hat, dass er ja nur im Vorhof der Macht sitze. Wenn wir im Bild bleiben, dann klopft Kurz mit seinem von der Krone gepushten PR-Buch jetzt an die Hintertür der Macht – und man fragt sich wieder unweigerlich: Cui bono? Die Kommunikationsberaterin Nina Hoppe hat das ganze Dilemma der österreichischen Medien-Öffentlichkeit in zwei Tweets auf den Punkt gebracht.
Der erfundene Wahlkampfleiter
Die Kronenzeitung, das ist das Blatt, das den spaßigsten Kandidaten von allen im Rennen um die Hofburg unterstützt hat. Tassilo Wallentin, der seit zehn Jahren düstere Kolumnen im bunten Mantel der Sonntags-Krone schreibt und daher einem Millionenpublikum bekannt war, konnte seine Unterstützungserklärung gleich als ganzseitiges Inserat im Blatt millionenfach verbreiten lassen. Freundlich finanziert von Milliardär Frank Stronach, und unmittelbar vor dem Inserat war ein nicht minder freundlich (von einer Ex-Mitarbeiterin Stronachs) geführtes Interview mit ihm abgedruckt. Wallentin hat sich im Wahlkampf wiederholt beschwert, dass ihm mangelnde Faktentreue vorgeworfen wurde. Am Wahlabend hat er dann mit der skurrilen Information für heiteres Erstaunen gesorgt, dass er einen Wahlkampfleiter namens Svaricek erfunden habe – natürlich aus dem Zusammenhang gerissen, wie Wallentin klarzustellen versuchte. Bald wird er wieder glasklare Kolumnen in der Krone bunt schreiben.
Der Kolumnist als Leserbriefe-Star
In der kolumnenfreien Wahlkampfzeit ist Wallentin übrigens recht prominent auf der Leserbrief-Seite des Kleinformats vorgekommen, wie der großartige Medien-Watchblog Kobuk anschaulich dokumentiert hat. 27 positiven Erwähnungen von Wallentin stehen 30 negative Erwähnungen von Amtsinhaber Alexander Van der Bellen gegenüber, ein Kopf-an-Kopf-Rennen wurde suggeriert. Die Seiten mit der Rubrik Das freie Wort zählen zu den beliebtesten in der Kronenzeitung. Und Tassilo Wallentin hat in praktisch jedem Interview vor der Wahl behauptet, er würde von dem Boulevardblatt mitnichten besser behandelt als andere.
Die Krone bekommt nach der Einigung der Koalition auf das Medienpaket weiter die alte Vertriebsförderung und wird als große Redaktion Millionen aus der neuen Journalismus-Förderung lukrieren – die steht auch dem Konkurrenten oe24 von Wolfgang Fellner offen. Einen Deckel für öffentliche Inserate wird es nicht geben, was die Fellner- und Dichand-Medien zweifellos freut.
Rote Jeansjacke & nicht Grosz again
Im mit Steuergeld gut geförderten Fellner-Fernsehen hat Ex-Kandidat Gerald Grosz regelmäßige Auftritte, die im Wahlkampf erst gar nicht gestoppt worden sind. Man habe beschlossen, dass das bleiben kann, hat oe24-Chef Niki Fellner dazu gesagt. Grosz hat andererseits keinen Wahlkampfleiter erfunden, MFG-Chef Michael Brunner auch nicht – und den Schuhfabrikanten Heinrich Staudinger hat seine rote Jeansjacke (und eine unfassbar resiliente Assistentin im Hintergrund) zumindest physisch unfallfrei durch den Wahlkampf gebracht. Was man vom FPÖ-Kandidaten Walter Rosenkranz nicht behaupten kann. Der war am Tag vor der Wahl auf einem Schießstand und hat sich mit dem Zielfernrohr seiner Schusswaffe oberhalb der Nasenwurzel leicht verstümmelt. Ein Sinnbild für das Land nach diesen Wochen eines Wahlkampfs, der schmerzhaftes Stirnrunzeln verursacht hat.
Das System und das große Misstrauen
Die Verschwörungserzählungen, die Anfeindungen gegenüber der Europäischen Union, das Infragestellen der Sanktionen gegen Russland. Dauerfeuer gegen das Establishment, das wahlweise als von Unfähigkeit getrieben oder von dunklen Mächten gesteuert galt. Und immer wieder war die Rede vom System und den System-Parteien, ein Begriff der Nazi-Propaganda, wie Hans Rauscher hier richtig klarstellt. Es bleibt ein dumpfer Nachhall dieser demokratischen Übung, als wäre eine Hintertür zugefallen. Meret Baumann schreibt in der Neuen Zürcher Zeitung, Alexander Van der Bellen sei ein guter Krisenmanager gewesen. Doch es ist ihm nicht gelungen, das Vertrauen in die Politik zu stärken: Fast die Hälfte der Wähler stimmte für gänzlich ungeeignete Kandidaten. Die NZZ-Kommentatorin schließt da auch Dominik Wlazny ein, den jüngsten Kandidaten für das höchste Amt im Staat.
Die Sache mit diesem Herrn Wlazny
Tatsächlich hat auch Wlazny nicht überzeugt, weil das immer die falsche Wahl für diesen Hoffnungsträger der enttäuschten Linken gewesen ist. Er hat sie für einen Probelauf genützt, um seine Bekanntheit zu steigern. Das Kalkül ist aufgegangen. Vom Partei-Establishment enttäuschte SPÖ-Sympathisanten und von der manchmal geradezu brachialen Pragmatik der Kogler-Maurer-Regierungspartei enttäuschte Grün-Fans könnten mit der Kunstfigur Marco Pogo eine Alternative bekommen. Diejenigen, die in der SPÖ an den Schalthebeln sitzen, die hören das gar nicht gern. Aber es geht für die Sozialdemokratie darum, bei der nächsten Nationalratswahl deutliche Zugewinne zu holen und Erste zu werden. Es ist wieder einmal der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, der es mit Blick darauf ausspricht: Wlazny sei für die Sozialdemokratie ein vielleicht größerer Faktor als für andere Parteien.
Die SPÖ benebelt vom Duft der Macht
Die SPÖ-Führung ist von guten Umfragen geblendet und blendet eben manche Dinge aus – auch das Faktum, dass die SPÖ bei der Tiroler Landtagswahl in der Landeshauptstadt Innsbruck vier Prozentpunkte verloren hat, anstatt in diesem wie für die Sozialdemokratie geschaffenen Setting des Kampfs gegen die Teuerung deutlich zuzulegen. Georg Dornauer weiß das und drängt trotzdem in die Landesregierung, weil Machtverzicht halt auch keine Option ist, wenn du schon den Wahlkampf als offizieller Juniorpartner der ÖVP absolviert hast. Und die Bundes-SPÖ scheint überhaupt davon auszugehen, dass sie im Schlafwagen an die Macht kommen kann. Wenn die Mehrheit für etwas Neues nicht reicht, machen sie eben wieder Rot-Schwarz wie damals – und passt schon. Jeder hat seine Hintertür zur Macht.
Ein Buch-Marketing wie ein Geständnis
Sebastian Kurz hat für Rot-Schwarz ja den Begriff Stillstands-Koalition geprägt und selbst tatkräftig (da war er noch Außenminister, der damalige Innenminister und heutige Nationalratspräsident Wolfgang Bulldozer Sobotka hat ihm geholfen) daran mitgewirkt, dass dieses Framing real wird, bevor damals Christian Kern und Reinhold Mitterlehner wieder Boden gewinnen konnten. Kurz hatte immer schon einen Hang zu Hintertüren, und die demokratische Kultur hierzulande hat nachhaltig darunter gelitten. So gesehen und vom Erkenntnisgewinn her ist das Marketing seines Verlages mit der Buch-Veröffentlichung unmittelbar nach dieser Bundespräsidenten-Wahl unfreiwillig grenzgenial.
2 Gedanken zu „Hintertür der Macht“
Aua, das war jetzt eine unfassbar gute und gut formulierte Zusammenfassung des ganzen Dramas. Top!
Ja, leider haben Sie recht mit Ihrer Zusammenfassung.